Gastbeitrag für die Financial Times Deutschland
31.08.2010
von Holger Krahmer, Alexander Pokorny und Frank Schäffler
Bereits 1992 wurden für eine klassisch-liberale Partei in Deutschland Wählerpotenziale von 20 bis 25 Prozent ermittelt. Aber weder das Projekt 18 aus den Jahren 2001/02 noch der historische Wahlsieg der FDP bei der Bundestagswahl 2009 haben dieses Wählerpotenzial nachhaltig für die FDP sichern können. Sowohl 2002 als auch 2009/10 erfolgte ein jäher Absturz.
Mag man den Absturz 2002 noch mit Möllemanns Ausfällen und illegalen Finanzierungspraktiken begründen, der Absturz 2009/10 offenbart tieferliegende Ursachen. Durchgestyltes Marketing konnte dieses Problem zwar bis zum Herbst 2009 verdecken, und so konnten wir von der zunehmenden Sozialdemokratisierung von CDU und CSU profitieren. In den letzten Monaten wurde aber offensichtlich, dass die FDP keine klassisch-liberale Partei ist.
Obwohl der Liberalismus geschichtlich die erste politische Richtung war, „die dem Wohle aller, nicht dem besonderer Schichten dienen wollte“ (Ludwig von Mises), gelingt es der FDP nicht, diesen Grundsatz glaubwürdig in Tagespolitik umzusetzen. Unser Problem besteht darin, dass wir mehr Menschen und Amtsträger benötigen, die sich an dieses liberale Prinzip halten. Unsere derzeitige Misere hat deshalb nichts mit Grundsatzstreitigkeiten in der FDP zu tun. Wir können uns auch nicht auf Zwänge der Koalition berufen, welche uns leider keine anderen Möglichkeiten ließen. Denn es fällt auf, dass wir in Bündnissen, in die wir deutlich weniger als 14,6 Prozent der Stimmen eingebracht haben, deutlich mehr liberale Grundsätze durchsetzen konnten.
Schuld an unserer heutigen Misere ist nicht das FDP-Bashing, das Merkel und Seehofer exzellent betreiben. Wäre die heutige FDP glaubwürdig als klassisch-liberale Partei aufgestellt, als Partei, die das Wohl aller will und nicht das einzelner Schichten, und die sich schon deshalb strikt an rechtsstaatliche Grundsätze hält, dann würde das FDP-Bashing ins Leere laufen.
2 Kommentare
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31. August 2010 um 11.17
Roland von Hunnius
Der Beitrag trifft ins Schwarze. Wir haben keinen Mangel an guten Grundsätzen, sondern uns fehlt der Mut, liberale Grundsätze gegen den empfundenen Zeitgeist durchzusetzen. Eine Partei, der es nicht einmal nach einem historischen Wahlsieg gelingt, konsequent zu handeln und Wahlaussagen zu realisieren, darf sich nicht beklagen, wenn andere opportunistisch sind – sie ist es selbst. Die FDP wurde als liberale Alternative zur sozialdemokratischen CDU/CSU gewählt. Nach der Wahl erkennen die Wähler, dass die FDP versucht, die „bessere“ oder ein bisschen mildere SPD zu sein. Das kann nicht gut gehen; denn dieser Platz ist schon besetzt – von der Dame Merkel, die nichts lieber hätte, als eine sog. große Koalition, und dem Politdesperado Seehofer, der seine Haut retten will – um jeden Preis.
Dass Herr Pokorny im Bundesvorstand dies auch so sieht, macht Hoffnung. In einer Situation, in der sich die FDP im ungebremsten Fall befindet, kannn leider auf die persönlichen Befindlichkeiten des amtierenden Bundesvorsitzenden keine Rücksicht genommen werden. Es stimmt: gezählt werden Wählerstimmen und nicht Umfragewwerte. Aber ehrlicherweise muss man das NRW-Ergebnis mit dem Abschneiden bei der Bundestagswahl vergleichen (und nicht mit der letzten Landtagswahl). Der Vergleich zeigt: NRW war das erste FDP-Desaster. Wenn nicht ganz schnell Gravierendes passiert, folgen die weiteren Desaster im kommenden Jahr.
6. September 2010 um 06.15
Drei Liberale in der FTD: „Mut zur Freiheit“ | Libertäres Forum Schwäbisch Hall
[…] Mag man den Absturz 2002 noch mit Möllemanns Ausfällen und illegalen Finanzierungspraktiken begründen, der Absturz 2009/10 offenbart tieferliegende Ursachen. Durchgestyltes Marketing konnte dieses Problem zwar bis zum Herbst 2009 verdecken, und so konnten wir von der zunehmenden Sozialdemokratisierung von CDU und CSU profitieren. In den letzten Monaten wurde aber offensichtlich, dass die FDP keine klassisch-liberale Partei ist. Hier weiterlesen […]